13. Februar 2012 - Montag - Tag 14

| Morazán ¦ La Unión ¦ Chinandega ¦ León |


Ringelschwanzschweinchen am Strand
Conchagüita




~35°C
Perquín › San Francisco (Gotera) › Santa Rosa de Lima › La Unión › BOOT › Conchagüita › BOOT › Potosí › Chinandega › León

Busfahrt, Ausreise, Bootsfahrt, Einreise, Busfahrt. Kein Wunder, dass wir schon um 7 Uhr unsere Tagestour beginnen. Doch für ein Spiegelei muss Zeit sein. Wie bereits die letzten zwei Tage ist es auch heute wieder heiß bei blauem Himmel. Es sollte nichts Schlimmeres passieren. Da gibt es aber ein Sprichwort mit "... Abend loben" oder so ähnlich. Herr Janßen, Chef von Take Off, hat mir bei seinem Stand auf der Ferienmesse in Wien schon erklärt, dass er neugierig ist, wie uns die Umgehung von Honduras am heutigen Tage gelingt. Von El Salvador nach Nicaragua - so der Plan für diesen Tag - fährt man entweder über Land durch Honduras oder über pazifisches Gewässer direkt. Wir wollen heute die zweite Variante versuchen. Dazu später.

Auf der Fahrt von den Bergen um Perquín kommen wir wieder an einem bewaldeten Vulkankegel vorbei, den wir natürlich fotografieren müssen. Bei einem Zwischenstopp an einer Tankstelle können wir einer Salvadoranerin (schreibt man das so?) beim Schälen einer Wassermelone zusehen. Unsereins schneidet die Melone ein paar Mal quer durch, sie schält sie mit wenigen Schnitten in Sekundenschnelle ab und hat das rote Fruchtfleisch im Ganzen übrig.

La Unión

Olga hat uns schon gewarnt. Um die Ausreise aus El Salvador rascher gestalten zu können, hat sie bereits in Guatemala die Reisepässe eingesammelt, um eine Kopie derselben an die Grenzstation schicken zu können. Kurz vor 10 Uhr erreichen wir die Hafen- und Provinzhauptstadt La Unión. Jetzt auf Meereshöhe ist es wirklich heiß. Um die 35 °C schätze ich die Temperatur. Die Prozedur der Ausreise gestaltet sich "ein wenig" kompliziert. Ich weiß nicht, was da alles von der Beamtin auszufüllen ist, aber pro Reisepass braucht sie locker zehn Minuten. Olga schlägt vor, dass wir die Pässe hierlassen und dass wir in einer halben Stunde alle wiederkommen. Vielleicht sind bis dann alle Formalitäten erledigt. Gesagt - getan. Nach Durchstreifen des Hafengeländes treffen wir uns pünktlich wieder. Die Passangelegenheiten sind abgewickelt, aber was noch fehlt, ist die Ausreisegenehmigung für das Boot, das uns über den Golf von Fonseca nach Nicaragua bringen soll. Denn erst, wenn die Ausreise für alle Personen bewilligt ist, kann man danach die Ausreisegenehmigung für das Boot beantragen. Und dieser Antrag wird scheinbar hundertmal geprüft. Jedenfalls haben wir ausreichend Zeit, uns in einem kleinen Café bei caffè latte und Donut eine Auszeit zu gönnen. Nur Werner ist nicht dabei. Wo sich der wohl wieder herumtreibt?

Um 11.20 Uhr, also exakt 1½ Stunden nach Ankunft bei der Grenzstation, bekommt Olga die Nachricht, dass die Bewilligung erteilt ist. Ismail wartet schon sehnsüchtig auf uns beim Bus. Und Werner ist auch schon da. Er erzählt irgendetwas, dass er uns gesucht habe und schon am Steg war, zu Fuß durch den Schlamm gewatet ist, mit einer Kutsche gefahren ist und trotzdem zurückgekehrt ist, weil er uns nicht gefunden hat. Weil Ebbe ist, fahren wir mit dem Bus ein Stück vor die Stadt und kommen zum - Militärhafen! Fahren wir mit einem Militärschiff über die Grenze? Nein - aber nur hier können wir trockenen Fußes auf unser Boot, das vom zivilen Hafen rüberkommt, steigen. Exakt kontrolliert und mit Begleitung eines Militärpolizisten im Bus fahren wir durch das Hafengelände. Endlich am Kai angekommen, werden das Gepäck in eines und die Passagiere in ein zweites Boot geladen. Zwei Boote - klingt viel, kann aber sehr nützlich sein. Nach einem herzlichen Abschied von unserem Fahrer Ismail, der uns ein treuer und aufmerksamer Begleiter gewesen ist, verlassen wir El Salvador und starten zu einer etwa 2½-stündigen Fahrt mit einem planenüberdachten, ansonsten offenen Boot über den

Golfo de Fonseca,

eine Bucht am Rande des riesigen Pazifischen Ozeans. Es geht flott voran. Landschaft, Fischerboote und große Schiffe ziehen an unserer Nussschale vorbei. Das Begleitboot mit unserem Gepäck ist einmal vor uns, dann wieder hinter uns. Der Fahrtwind lässt uns die Hitze nicht spüren. Doch plötzlich: BRRRRRM - und Stop. Was ist geschehen? Der Motor hat nach 50 Minuten von einer Sekunde auf die andere den Geist aufgegeben. Angeblich soll eine herumschwimmende Wurzel die böse Tat verursacht haben. Mir mird schon ganz mulmig, wenn ich daran denke, dass ich hier noch einige Stunden in den Wellen schwanken könnte. Trotz intensiver Bemühungen der zwei Bootsführer bringen sie den Motor nicht mehr zu laufen. Also was tun? Mario, der "Kapitän", und Olga versuchen, telefonisch eine Lösung zu erreichen. Was würde man in so einem Fall nur ohne Mobiltelefon machen? Derweil treiben wir langsam auf eine nahe größere Insel zu. Und manche von uns vertreiben sich mit einem Schluck Rum die Zeit. Gottseidank kommt das Gepäckboot, das schon ein Stück voraus gewesen ist, wieder zurück. Unser kaputtes Boot wird in Schlepptau genommen. Doch die Motorstärke des Gepäckbootes reicht gerade einmal aus, uns bis zur nächsten Insel zu schleppen. Bis zum Ziel in Nicaragua wäre es nicht möglich gewesen.

Conchagüita
die Ringelschwanzschweineinsel

Eine halbe Stunde nach Eintritt des Motorschadens betreten wir an einem Strand bei einem kleinen Dorf die Insel Conchagüita. Es steht zwar im Programm, dass wir unterwegs eine Insel besuchen. Aber ob das so geplant war? Ich vermute eher nicht. In dieser Situation kommt das Organisationsgeschick von Olga zum Vorschein. Sie lässt sich erstmal scheinbar durch nichts aus der Ruhe bringen. Sie klärt mit einer Familie, dass wir auf deren Vorplatz bis zur - hoffentlich baldigen - Abreise sozusagen unser Basislager aufschlagen und die Toilette benutzen können. So schnell kann man gar nicht schauen, sind auch schon Getränke da. Sie werden von Olgas Agentur bezahlt. Zudem bietet die Frau des Hauses an, um 2 US-Dollar Fisch mit Beilagen für uns zuzubereiten. Normalerweise müsste man bei diesem Angebot zugreifen, aber vermutlich durch die Hitze habe ich gar keinen richtigen Hunger. Aber ein paar von uns greifen dann doch zu. Der Preis steigt zwar noch enorm, um 50 %. Trotzdem ist es noch immer sehr günstig.

Bis zur erwarteten Abreise können wir nun nur mehr abwarten und es uns in Hängematten, auf umgedrehten Booten oder bei einem Spaziergang am Strand gemütlich machen. Teilweise kommt sogar Entspannung auf. Es wird getratscht und diskutiert. Neben uns sind auch einige Haustiere unterwegs. Ringelschwanzschweine, die so manche Flip-Flops entführen, Hühner, die am Strand auf Nahrungssuche gehen, sowie Hunde treiben hier ihr Unwesen. Es sind so viele Schweine, dass unser lieber Hans der Insel einen neuen Namen gibt - die Ringelschwanzschweineinsel ist geboren.

Aber worauf warten wir eigentlich so lange? Wie wir erfahren, brauchen wir für ein anderes Boot, von dem es auf Conchagüita genug gäbe, eine neue Ausreisebewilligung. Und das Beschaffen dieser Bewilligung dauert. Nicht nur, dass irgendjemand nach La Unión zur Behörde zurück und wieder hierher fahren muss. Nein - auch das Ausstellen der Bewilligung nimmt enorm viel Zeit in Anspruch. Aber irgendwann ist auch diese Hürde überwunden und wir können nach insgesamt drei Stunden Ausharren unter der Sonne Zentralamerikas mit einem Boot namens "Renacer" die Weiterfahrt antreten.

Golfo de Fonseca

Es ist 16.10 Uhr, als wir wieder in See stechen. Die Renacer ist ebenso ein offenes Boot, aber ohne Plane und die Seitenwände sind etwas niedriger, was sich noch bemerkbar machen wird. Ich setze mich - intuitiv? - links vorne hin. Dieser Sitzplatz kommt mir zugute, denn ich werde als einziger komplett trocken das Boot verlassen. Da wir die salvadoranischen Inseln bald hinter uns gelassen haben, sind wir den Wellen, die nun vom offenen Meer in den Golf von Fonseca hereinkommen, gnadenlos ausgeliefert. Ich fühle mich bei dieser Schaukelei überhaupt nicht wohl. Das hat weniger mit Übelkeit als mit Schwimmfähigkeit zu tun. Jene, die einen Sitzplatz auf der rechten Seite haben, werden durch das Hereinspritzen des Meerwassers mehr oder weniger zur Gänze nass. Erst als wir wieder Land in der Nähe haben, wird das Meer ruhiger und wir gleiten dahin. Ohne technischen Defekt kommen wir wohlbehalten, die meisten von uns jedoch durchnässt, an einem Strand in der Nähe der Ortschaft Potosí an.

Es dauert noch ein paar Minuten, bis uns die vier Herren der Grenzpolizei aussteigen lassen. Aber nun ist es geschafft. Wir sind in Nicaragua, dem sechsten Land auf unserer Tour, angekommen. Es ist mittlerweile bereits 17.30 Uhr. Mindestens zwei Stunden Fahrt liegen noch vor uns. Aber dass wir einfach schnell weiterfahren können, das ist eine Illusion. Der Bus wartet zwar schon auf uns, das Gepäck wird jedoch vorerst noch nicht verladen, sondern neben den Bus gestellt. Wir "pilgern" mit Olga und der Bootsmannschaft zur Passkontrolle, die etwa 150 Meter entfernt ist. Die Prozedur beginnt mit dem Ausfüllen des üblichen Formulares. Es ist auch eine Gebühr von 12 US-Dollar pro Person zu bezahlen, zehn für eine Touristenkarte und zwei Dollar Bearbeitungsgebühr. Um es zu vermeiden, dass der Beamte 14 Belege ausstellen muss, einigen wir uns darauf, dass er nur einen Beleg für alle ausstellt, jeder jedoch nach Aufruf extra bezahlt. Während der von seiner Regierung in seinen infrastrukturell eher nicht vorteilhaften Räumlichkeiten (nett ausgedrückt) dienende Beamte seine Arbeit erledigen muss, kehren wir kurz zurück zu unserem Gepäck, denn dieses will von der Grenzpolizei untersucht werden. Nach unserer Rückkehr zur Passkontrolle müssen wir immer noch warten, bis wir endlich unsere Gebühr bezahlen "dürfen".

Die gesamte Prozedur lang hat uns Olga betreut, obwohl sie meiner Meinung nach eigentlich überhaupt nicht mehr zuständig wäre, denn der Reiseleiter der nicaraguanischen Agentur ist doch auch schon da. Aber Franklin, so sein Name, der kurzfristig als Vertreter für einen verletzten Kollegen eingesprungen ist, kümmert sich nicht sehr um uns. Olga hingegen möchte uns ordnungsgemäß in Nicaragua eingereist wissen. Es ist 19 Uhr, als Olga an Franklin übergibt. Wir haben sie in den vergangenen zehn Tagen sehr lieb gewonnen. Dementsprechend herzlich fällt der Abschied aus. Wir beneiden sie in diesem Moment nicht, denn ihr steht - gemeinsam mit den Bootsführern - noch die Rückfahrt über den Golf von Fonseca in völliger Dunkelheit bevor. Hoffentlich kommen sie gut an.

Doch die Abenteuer des heutigen Tages sind noch lange nicht vorbei. Der englisch sprechende Reisebegleiter Franklin meint, dass wir noch ein Abendessen bekommen. Es gäbe dazu zwei Möglichkeiten. Einerseits könnten wir unterwegs stehenbleiben und uns eine Kleinigkeit mit in den Bus nehmen oder zweitens könnten wir nach der Ankunft in León im Hotel etwas Warmes essen. Die Fahrzeit soll etwa zwei Stunden betragen. Wir entscheiden uns für die zweite Variante. Grund dafür ist, dass wir die Fahrt nicht noch einmal unterbrechen wollen. Wer weiß, wann wir dann im Hotel ankämen. Nachdem Franklin mit dem Hotel Kontakt aufgenommen hat, können wir zwischen zwei "Menüs" wählen. Die Auswahl wird sodann von Franklin sofort an das Hotel gemeldet.

Das erste Stück des Weges von Potosí nach León, unserem heutigen Endpunkt, kommen wir nur sehr langsam voran. Wir befinden uns auf rund 20 Kilometer Staubstraße mit Schlaglöchern. Pferde, Rinder, aber auch Personen spazieren auf der Fahrbahn. Was die Fahrt noch erschwert, ist das Nichtfunktionieren der vorhandenen Klimaanlage im Bus. Das ergibt eine hohe Temperatur und eine hohe Luftfeuchtigkeit im Fahrzeug. Da wir nicht sehr schnell unterwegs sind, werden für die Frischluftzufuhr teilweise die Fenster geöffnet. Dadurch dringt aber wieder sehr viel Staub in den Bus. Und der Luftzug ist naturgemäß auch nicht förderlich für die Gesundheit. Dazu kommt noch die nasse Kleidung, die viele noch tragen. So werden die nächsten zwei Stunden für manche zu einer Tortur.

Endlich sind wir auf der asphaltierten Straße angelangt. Wir kommen nun schneller, aber nicht schnell, voran. Es scheint, dass unser Fahrer nachtblind ist, denn jedes Mal, wenn ein anderes Fahrzeug entgegenkommt, wird er langsamer. In der Nähe der Stadt Chinandega werden wir von einer Polizeikontrolle aufgehalten. Es gibt aber nichts zu beanstanden. Endlich erreichen wir León und das Hotel Austria, in dem wir für eine Nacht bleiben werden. Es ist bereits 22 Uhr, also hat die Fahrt drei Stunden gedauert. Da hat sich Franklin wohl etwas vertan. Hat er bei der Hinfahrt nicht auf die Zeit geachtet? Beim Einchecken im Hotel ist er dann fast wie vom Erdboden verschluckt. Sicher können wir uns auch alles selbst organisieren, aber wozu hat man einen Reise(beg)leiter?

Jetzt freue ich mich noch auf etwas Warmes im Magen. Aber zuerst muss die durchgeschwitzte und staubige Kleidung gewechselt werden. Aber was wir nun vorgesetzt bekommen, ist nicht sehr gut. Mein Sandwich ist kalt, auch die Pommes frites sind es. Sicher - wir sind eine Stunde zu spät angekommen. Die Verspätung hätte Franklin aber dem Hotel mitteilen können. Wir (ich sitze mit Müllers am Tisch) lassen das Essen noch einmal wärmen. Dazu gibt es ein paar Bier zum Runterspülen des Staubs und des Ärgers ob des heutigen Tagesverlaufs. Ich bin etwas enttäuscht, dass es im Hotel mit diesem Namen nicht besser funktioniert hat. Ich denke aber, dass das Restaurant vermutlich um diese Zeit gar nicht mehr geöffnet hat und man schon schließen wollte. Und dann kommen da noch 14 lästige Touristen daher. OK. Schlafen wir einmal eine Nacht darüber. Nicaragua kann sich nur mehr besser präsentieren. Und hoffentlich auch das Hotel meines Landsmannes.

Bevor ich mich jedoch ins Bett begebe, wird der heutige Tag in einer kleinen Gruppe nachbesprochen. Eine "Rumkonferenz" wird abgehalten, besprochen wird der fünf Jahre alte "Botran Oro" . Es dauert dann noch bis halb eins, bis ich zur Ruhe komme.

Hotel Austria • León


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