12. Februar 2012 - Sonntag - Tag 13

| Cuscatlán ¦ San Salvador ¦ San Vicente ¦ Usulután ¦ San Miguel ¦ Morazán |


Chichontepec oder Volcán de San Vicente (2182 m)




~33°C
Suchitoto › Cojutepeque › San Miguel › San Francisco (Gotera) › Perquín › El Mozote › Perquín

Das Frühstück wird schon einmal im Freien serviert, denn bereits am Morgen zeigt das Thermometer rund 26 °C. Doch von der bevorstehenden Hitze werden wir nicht viel mitbekommen, denn die nächsten Stunden werden wir im Bus verbringen. Und das Ziel, das wir heute ansteuern, liegt auf rund 1300 m Seehöhe.

Von Suchitoto fahren wir den gleichen Weg, den wir gestern gekommen sind, zurück zur Interamericana. Und wieder treffen wir auf viele wahlwerbende Parteianhänger. Der Hauptstraße folgend steht praktisch die Durchquerung des halben Landes von West nach Ost bevor. Auf vorerst zweispuriger Straße kommen wir rasch voran. Die Vegetation wird nun wieder trockener, die Landschaft ist aber sehr abwechslungsreich. Die Fahrt führt durch Hügelland und nebenbei tauchen die über 2100 Meter hohen bewaldeten Vulkankegel Chichontepec und San Miguel auf. Unterwegs kommt es manchmal zu außergewöhnlichen Bildern. Es sind unter anderem ein über 40 Jahre alter Toyota an einer Tankstelle oder Personen, die gemütlich auf Plastiksesseln auf der Ladefläche eines Pickups sitzen, die leichtes Schmunzeln hervorrufen. Einmal passiert es uns, dass wir von einer Polizeikontrolle aufgehalten werden. Einer der Polizisten wirft einen kurzen Blick in unseren Bus, schaut sozusagen nach dem Rechten.


La Ruta de Paz

Nach San Miguel verlassen wir die Interamericana Richtung Norden, bis wir kurz vor der Grenze zu Honduras in den Bergen von Morazán - so der Name des Departamentos - den Ort Perquín erreichen. Das letzte Stück sind wir bereits auf der "Ruta de Paz" unterwegs. Sie wurde "Straße des Friedens" genannt, da sie mitten durch die Region führt, in der die Guerilleros während des Bürgerkrieges von 1980 bis 1991 ihr Rückzugsgebiet hatten und diese Art des "Zusammenlebens" nie wieder vorkommen soll. Jene geschichtsträchtige Zeit werden wir am Nachmittag noch näher behandeln. Vorher checken wir aber im Hotel ein und haben ein wenig Zeit zum Mittagessen.

Um 14 Uhr treffen wir uns wieder beim Bus, um mehrere Stationen, die den Bürgerkrieg behandeln, zu besuchen. Begleitet werden wir von Rafael, einem ehemaligen Guerillero. Er scheint gezeichnet zu sein von seinem früheren Leben, denn meiner Ansicht nach sieht er um einiges älter aus, als er tatsächlich ist. Er versucht bereits während der Busfahrt, uns die damaligen Geschehnisse näher zu bringen. Als Übersetzerin fungiert natürlich Olga. Durch Arambala gelangen wir schließlich nach El Mozote, einen kleinen Ort unweit von Perquín. Hier hat sich drei Tage lang, vom 11. bis 13. Dezember 1981, ein furchtbares Massaker zugetragen. Unter dem Vorwand, dass man die Bevölkerung vor Angriffen im Umland schützen möchte, lockte das Militär die Bewohner auf den Hauptplatz in El Mozote. Über drei Tage verteilt wurden die Bewohner der Umgebung systematisch ermordet, zuerst die Männer, gefolgt von den Frauen und auch die Kinder mussten ihr Leben lassen. Um 1000 Tote wurden gezählt. Ihre Namen stehen heute auf einer Gedenktafel. Die Namen der Kinder wurden an der Seitenwand der nebenstehenden Kirche aufgeschrieben - und ihr Alter dazu. Die Liste fängt mit "Concepción Sánchez" - Alter 3 Tage! - an. Nur eine Frau namens Rufina Amaya konnte flüchten und hat somit das Massaker überlebt. Erst durch sie hat die Nachwelt von diesem tragischen Ereignis erfahren. Wie kam es aber nun zu diesem Massaker? Was war das auslösende Moment? Entweder hat Rafael die Frage, die ihm gestellt worden ist, nicht richtig verstanden, oder er konnte oder wollte sie nicht beantworten. So verblieben wir, zumindest jene, die sich mit der Geschichte nicht ganz genau beschäftigt haben oder noch zu jung dazu waren, etwas im Ungewissen. Ist etwa durch das Verbleiben im Ungewissen die Stimmung unter manchen Mitreisenden schon ein wenig gereizt? Neben Rafael erzählt uns eine andere Bewohnerin von El Mozote - Doña Serapia - ihre Geschichte. Sie war zum damaligen Zeitpunkt nicht zu Hause und entkam somit dem Schicksal ihrer Bekannten und Verwandten. Mit anderen Frauen gründete sie eine Gruppierung, die dem Massaker gedenkt.

Nach einem Besuch bei einem großen Kreuz außerhalb von El Mozote kehren wir zurück nach Perquín. Vielleicht trägt das Museum, das wir nun besuchen, etwas zur Klärung jener Faktoren, die zum Massaker führten, bei. Auf jeden Fall erhält man durch die vielen ausgestellten Bilder einen besseren Überblick über die Umstände, die zum Ausbruch des Bürgerkrieges führten. Nach langer Zeit sozialer Spannungen, in der von Entführungen der Landbevölkerung berichtet wurde, entlud sich der Zorn der Armen nach der Ermordung von Erzbischof Óscar Romero am 24. März 1980. Sie begannen, sich als Guerillakämpfer unter der Bezeichnung FMLN (Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional) zu organisieren, um das Militärregime zu destabilisieren. Und Perquín war das Hauptquartier. Ich nehme an, dass das Militär durch das Massaker in El Mozote den Kampfgeist der Guerilleros brechen wollte. Aber Rafael hat uns über die Hintergründe leider nie genau berichtet. Von Perquín aus operierte zudem der Radiosender "Venceremos", das Sprachrohr der FMLN. Einige alte Rundfunkutensilien kann man noch besichtigen.

Nach dem Museumsbesuch führt uns Rafael durch ein nachgebautes Lager der Guerilla. Man bekommt einen Eindruck, wie sich das Leben ungefähr abgespielt haben könnte. Zeltlager, alte Waffen, Schutzbauten und Hängebrücken. Das alles finden wir auf unserem Rundweg durch das Lager. 1992 wurde der Bürgerkrieg mit einem Friedensvertrag beendet. Seitdem ist die FMLN eine politische Partei des Landes.

Ich weiß nicht, wie oft Rafael derartige Führungen für Nichteinheimische macht. Jedenfalls dürfte er von der gezielten Fragestellung einiger Mitreisenden überrumpelt worden sein. Er hat wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass man sich nicht nur oberflächlich interessiert, sondern auch über die Ansicht der Gegenseite - sprich: Regierung und Militär - Bescheid wissen möchte. Denn darüber hat er kein Wort verloren. Jedenfalls trägt dieser Nachmittag zu starken Emotionen in der Gruppe bei.

Um wieder ein wenig "runterzukommen", beenden wir die Nachbetrachtung des Bürgerkrieges und kehren nach vier Stunden zum Hotel zurück. Heute wird es der letzte Abend mit Olga werden. Sie bittet uns daher, dass wir alle gemeinsam zum Abendessen kommen. Bei Tisch ist der aufregende Nachmittag beinahe schon vergessen, denn die Speisekarte ist jetzt wichtiger. Und da lacht mich das gegrillte 10 oz.-Hühnchen an. Die Hitze des Tages wird mit ein paar Pilsenern bekämpft. Als das Hühnchen bei mir ankommt, scheint mir, dass da von 10 Unzen nicht viel übrig geblieben ist. 10 Unzen entsprechen etwa 300 Gramm, aber auf dem Teller liegt höchstens die Hälfte davon. Bevor ich reklamieren kann, hat diesen Part bereits Olga übernommen, die meinen leichten Unmut mitbekommen hat. Es dauert nicht lange, und ich erhalte einen Zuschlag. Dankeschön.

Waren wir zu Beginn des Abendessens leider nicht alle gemeinsam am Tisch, so gesellen sich zum Abschluss doch noch die zwei zuvor fehlenden Mitreisenden dazu. Nach einem ereignisreichen Nachmittag und einem Gute-Nacht-Schluck ist um 22.15 Uhr Zeit zum Augenschließen.

Hotel Perkin Lenca • Perquín


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