3. Oktober 2011 - Montag - Tag 5

| Jugozapaden region |


Kloster Sveti Kliment
Ohrid




22°C
Ohrid › Sveti Naum › Ohrid


Охрид
Ohrid

Für das Frühstück nehme ich mir ausreichend Zeit. Davon gibt's genug, denn erst um 9 Uhr ist Treffpunkt zur Stadtbesichtigung. Besichtigung einer Stadt, die bereits im ehemaligen Jugoslawien Touristenmagnet war und bereits seit 1980 neben dem Ohridsee (1979) zum Weltkulturerbe zählt.

Da sich das Hotel im Stadtzentrum befindet, können wir zu Fuß losmarschieren. Ohne einen einheimischen Fremdenführer geht so eine Aktion aber nicht. Daher werden wir von Alexander begleitet, der uns die Sehenswürdigkeiten der Stadt erklärt. Tsveta übersetzt. Wir schlendern durch die Fußgängerzone, kommen an einer viele hunderte Jahre alten Platane vorbei, kaufen Ansichtskarten, Briefmarken und eine Straßenkarte, ehe wir am Hafen an einer Statue ankommen. Das Denkmal ist dem Hl. Kliment von Ohrid gewidmet, einem der Schüler von Kyrill und Method von Saloniki.

Bereits vor über 5000 Jahren war diese Gegend besiedelt. Auch heute noch ist Geschichte spürbar, denn sie hat viele Spuren hinterlassen. Das frühere Lychnidos wurde Ende des 9. Jahrhunderts n. Chr. in den heutigen Stadtnamen umbenannt. Zu dieser Zeit wurde die Region von Slawen besiedelt und Ohrid wurde zum Ausbildungszentrum der bulgarisch-orthodoxen Kirche. Rund um den Ohridsee wurde die glagolitische Schrift als Vorläufer der kyrillischen Schrift entwickelt. Verantwortlich dafür waren die beiden aus Saloniki stammenden Brüder Kyrill und Method. Grund für die Schaffung einer Schrift war, den christlichen Glauben im slawischen Volk verbreiten zu können. Andere Schriften waren für die slawische Sprache nur bedingt geeignet. Daher musste ein neues Alphabet gefunden werden, die der slawischen Aussprache Rechnung trug. Einige Schüler der beiden Brüder, unter ihnen der erwähnte Hl. Kliment und der Hl. Naum, dessen Kloster wir heute noch besichtigen werden, haben die Ausbildungsstätten in Ohrid erweitert und diese Stadt bekannt gemacht.

Alexander bringt uns weiter in die Altstadt von Ohrid. Typische Häuser und enge Gassen prägen das Stadtbild. In einem kleinen Laden wird uns gezeigt, wie man händisch Papier erzeugt. Nächstes Ziel ist die große Kirche Sveta Sofija, deren Inneres von 1000 Jahre alten Fresken geprägt ist. Während der Herrschaft der Osmanen wurden die Fresken weiß übermalt und die Kirche als Moschee genutzt. Nach Ende des Osmanischen Reiches wurde in mühsamer Arbeit die weiße Farbe entfernt und man entdeckte dadurch diese wertvollen Wandgemälde. Wie in vielen Kirchen gilt auch hier Fotografierverbot.

Nach dem Besuch einer geistlichen Stätte geht es in einer Wiese vor der Kirche weltlich zu. Zwei Schildkröten scheren sich nicht um ihre Umgebung. Sie sind bemüht, geräuschvoll für Nachwuchs zu sorgen.Wir ziehen weiter durch die engen Gassen Ohrids zum antiken Theater, das zentral in der Altstadt errichtet worden ist. Von den Zuseherrängen hat man einen wunderbaren Blick über die Bühne hinweg auf den Ohridsee. Bei herrlichem Wetter führt uns Alexander zur nächsten Kirche, der kleinen Sveta Bogorodica Perivlepta hoch über der Altstadt. Eine begeisterte und begeisternde Betreuerin der Kirche erklärt in englischer Sprache sehr emotional "ihren" Sakralbau, in dem Fresken mit vielen ungewöhnlichen Darstellungen zu finden sind. Die Betreuerin, deren Namen ich mir nicht notiert habe, hat sich jahrelang der Geschichte der Kirche gewidmet, umfangreiche Informationen zusammengetragen und ein Buch über das Gebäude herausgegeben.

Nach diesem sehr interessanten Vortrag spazieren wir weiter zur Festung, die einer der letzten Zaren des ersten bulgarischen Reiches, Samuil, am Beginn des 11. Jahrhunderts errichten ließ. Eigentlich ist die Festung heute Montag geschlossen, aber Tsveta macht's möglich. Wir dürfen für kurze Zeit in die Festung hinein und können auch nach oben auf die Mauern. Weit reicht der Blick über den 350 km² großen Ohridsee bis nach Albanien und über die Stadt bis zu den Galičica-Bergen.

Am Ufer steht im byzantinischen Stil neu erbaut die Kirche Sveti Kliment. Diese Kirche ist unser nächstes Ziel. Man merkt schon, dass es in Ohrid viele Sakralbauten gibt. Man munkelt, dass es früher einmal 365 gegeben haben soll. Da kann es schon passieren, dass man bei einer Stadtbesichtigung drei davon besucht;-)

Vor der Kirche Sveti Kliment erzählen uns Alexander und Tsveta inmitten von Ausgrabungsstätten viel über die Geschichte der Stadt Ohrid. Beispielsweise, dass hier am Ufer des Sees bereits im 5. Jahrhundert n. Chr. eine Basilika mit vielen Bodenmosaiken stand, dass eine Kirche aus dem 9. Jahrhundert von den Osmanen zerstört worden war, dass bei Ausgrabungen in den 1940er-Jahren das Grab von Kliment entdeckt wurde, dass hier in der Blütezeit von Kliment und Naum eine Universität stand und dass die Kirche Sveti Kliment erst vor wenigen Jahren neu errichtet worden ist. Im Kirchenboden wurden Glasplatten eingelassen, wodurch man die darunterliegenden Grundfeste der alten Kirche (jener aus dem 9. Jhdt.) und das Grab von Kliment sehen kann. Nebenan können wir einige der Mosaike betrachten, die durch Dächer vor Verwitterung geschützt werden.

Nach dem umfangreichen geschichtlichen Unterricht am Vormittag kommt eine Pause im kleinen angrenzenden Lokal gerade recht. Nicht nur die Füße, auch der Geist braucht einmal eine Pause. Bei Wasser und Kaffee können wir die Batterien wieder aufladen, ehe wir - vorbei an der Sveta Sofija und entlang des Hafens - zum Bus spazieren. Es macht sich schon der Hunger bemerkbar, doch noch gibt es kein Mittagessen. Das gibt es erst am Südufer des Sees.


Манастир Свети Наум
Manastir Sveti Naum

Von Ohrid aus fahren wir die Ostküste entlang bis knapp vor die Grenze zu Albanien. Im Restaurant Ostrovo ist für uns das Essen bestellt. Unter freiem Himmel können wir uns niederlassen. Aber warum ist es so leer hier? Wir sind die einzigen Gäste! Wieder einmal hat Tsveta ihre Beziehungen spielen lassen. Wegen einer "Delegation" ist rund um das Kloster Sveti Naum alles gesperrt. Gerade unsere Gruppe darf noch schnell etwas essen. Aber ja nicht auf die Toilette! Die muss sauber sein, wenn die "Delegation" kommt. Und an der Straße werden die Marktstände auf Hochglanz poliert. Was für eine Delegation? Tsveta erzählt, dass es sich um ein Treffen von 50 Innenministern handelt, die in Mazedonien unterwegs sein sollen. Dieses Dilemma mit der Toilette hat natürlich Nebenwirkungen. Gut, dass ich nicht "muss"! Aber viele aus der Gruppe müssen sich im nahen Kloster bzw. Klosterrestaurant um eine Gelegenheit bemühen. Doch die Mitarbeiter dort sind natürlich nicht erfreut darüber.

Zurück zum Wesentlichen: die Verpflegung wird gebracht. Nach dem "üblichen" Salat als Vorspeise wird "tabče gravče", ein Bohnengericht mit Wurst, serviert. Zuerst lauwarm, wird es nach Reklamation doch noch einmal erwärmt. Danach schmeckt's gut.

Jetzt kann das Programm wieder in Angriff genommen werden. Das Gelände, auf dem das Restaurant steht, trennt den großen Ohridsee von einem kleinen See, der die Quellen des Flusses Crni Drim beherbergt. Der Crni Drim fließt durch den Ohridsee und verlässt diesen bei Struga. Durch den Temperaturunterschied von etwa 10 °C vermischt sich das Wasser des Flusses nicht mit dem Seewasser. Direkt vom Restaurant aus fahren wir mit einem kleinen Boot über den kleinen See. Das Wasser ist vollkommen klar. So klar, dass die Tiefe nicht einschätzbar ist. Man meint, auf den Grund greifen zu können, aber der See ist mindestens drei Meter tief - und voller Pflanzen. Nur nicht überall, denn ab und zu ist diese Pflanzenwelt durch Sandboden unterbrochen. Hier wächst nichts, denn es sind unterirdische Quellen, die den See speisen. An vielen Stellen blubbert es - dort, wo das Wasser aus dem Boden an die Oberfläche dringt.

Wegen der "Delegation" dauert die Bootsfahrt kürzer als geplant. Das macht aber eigentlich nichts, denn wir wollen heute noch eine vierte Kirche besichtigen - jene im Kloster Sveti Naum in unmittelbarer Nachbarschaft zum Restaurant. Das ursprüngliche Kloster wurde bereits um 900 vom Hl. Naum errichtet. Im wiederaufgebauten - weil von den Osmanen zerstörten - Kloster ist der Sarkophag des Heiligen untergebracht. Angeblich schlägt sein Herz noch. Es wird erzählt, dass Wünsche in Erfüllung gehen, wenn man das Ohr auf dem Stein anlegt und diesen Herzschlag hören kann. Ein besonders humorvoller Mönch erklärt uns die Besonderheiten der Kirche mit den außergewöhnlichen Malereien.

Im warmen Abendlicht treten wir die Rückreise nach Ohrid an. Bis zur nächsten Ortschaft nehmen wir noch zwei Mitarbeiter des Restaurants mit. Während der Fahrt kommen wir mehrmals an Polizeiautos vorbei. Die Geschichte mit der "Delegation" dürfte also schon seine Richtigkeit haben. Um 18.30 Uhr kommen wir wieder beim Hotel an. In einer Stunde treffen wir uns wieder, denn heute werden wir in einem typisch mazedonischen Restaurant essen. Da reicht die Zeit aus, um meine beiden Karten zu schreiben. Vor dem Abmarsch organisiert Tsveta, dass einige von uns die geschriebenen und bereits frankierten Karten an der Rezeption abgeben können. Sie haben jedoch die Empfänger "bei Redaktionsschluss" noch nicht erreicht.

Das Restaurant Belvedere finden wir ganz in der Nähe des Denkmals des Hl. Kliment am Seeufer. Nur Elisabeth ist nicht mit von der Partie. Nachdem wir den Salat in fast üblicher Zusammenstellung verzehrt haben, tauchen plötzlich ein paar Männer mit Instrumenten auf. Jetzt erinnere ich mich, da stand doch etwas von mazedonischer Musik in der Ausschreibung. Eigentlich mag ich das nicht sehr gerne, wenn sich eine Musikgruppe vor dem Tisch in Position bringt und man beim Essen Live-Musik zu hören bekommt. Heute ist es aber nicht ganz so schlimm wie befürchtet. In der Zusammenstellung zweimal Geige, Bass, Akkordeon, Gitarre und Trommel bringen sie einige mazedonische Melodien zum Besten. Und zwischen Hauptspeise und Dessert lassen es sich die Frauen aus unserer Gruppe nicht nehmen, das Tanzbein zu schwingen. Da bin ich noch einmal davongekommen. Es wird zwar uns Männern auch angekündigt, das nächste Mal zu tanzen, aber ein nächstes Mal wird es - dankeschön - nicht geben;-) Zum Trinken gibt es ein weiteres Mal die "Sehnsucht nach dem Süden".

Bei angenehmen abendlichen Temperaturen kehren wir ins Hotel zurück. Noch ein paar Notizen machen und dann ab ins Bett um kurz nach elf.

Hotel Toni • Ohrid
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